Präambel
Für das Kollegium und die Schulgemeinschaft der Rudolf-Steiner-Schule München-Daglfing steht die Würde des Kindes im Zentrum allen pädagogischen Handelns. Wir verstehen es als unseren Erziehungsauftrag, auf Grundlage des anthroposophischen Menschenbildes mit ganzem Einsatz zur individuellen Entwicklung jeden Kindes beizutragen.
Da sich Kinder nachweislich am besten entfalten, wenn sie sich in einem sozialen Netz geborgen wissen, legen wir größten Wert auf eine wertschätzende und verbindliche Zusammenarbeit aller am Schulleben beteiligten Personen. Der Erziehungsauftrag kann nur in gemeinsamer Verantwortung erfüllt werden. In diesem Sinne begreift sich die Schule als Stätte der Begegnung. Sie steht allen Lernenden offen, unabhängig von Nationalität, Religionszugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung, oder sozialer Herkunft.
Versteht man Schule im weiteren Sinn als „Lebensraum“, dann profitiert sie von der Vielfalt der an ihr wirkenden Menschen. In engem Kontakt zur Um- und Mitwelt kann auf diesem Wege eine Erziehung zur Freiheit stattfinden, die am Ende der Schulzeit mündige Menschen ins Leben entlässt.
Unsere Schule orientiert sich am gemeinsamen Leitbild der deutschen Waldorfschulen. Was unsere Schulstruktur betrifft, sind wir bemüht, die Idee der Sozialen Dreigliederung umzusetzen; so folgen wir auch in diesem Leitbild der Unterscheidung eines freien Geisteslebens, das sich im gesamten pädagogischen Bereich äußert, eines dem Prinzip der Gleichheit verpflichteten Rechtslebens und eines solidarisch verstandenen Wirtschaftslebens. Diese drei Bereiche werden ergänzt durch eine Verortung der Schule in der Gesellschaft.
Die Pädagogik
‚‚Wie weit ein Kind nach der einen oder der andern Richtung zu bringen ist, darüber wird ein Urteil nur in einer freien Geistgemeinschaft entstehen können. Und was zu tun ist, um einem solchen Urteil zu seinem Recht zu verhelfen, das kann nur aus einer solchen Gemeinschaft heraus bestimmt werden. Aus ihr können das Staats- und das Wirtschaftsleben die Kräfte empfangen, die sie sich nicht geben können, wenn sie von ihren Gesichtspunkten aus das Geistesleben gestalten.“
Rudolf Steiner (GA 23, Vorrede S. 4)
Unser pädagogisches Handeln gründet auf der einfühlsamen Beobachtung und dem Verstehenwollen der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen; hierbei dient uns die Menschenkunde Rudolf Steiners als Grundlage und Anregung. Stets wird versucht, jedes Kind, nach seinen individuellen Möglichkeiten zu fördern, so dass es seine Fähigkeiten im Sinne einer Selbsterziehung zunehmend selbst ausbilden und entfalten kann.
Jungen und Mädchen werden gemeinsam in altershomogenen Klassen unterrichtet. Der Unterricht ist ganzheitlich, d.h. kognitive, künstlerische und praktische Lernfelder werden gleichgewichtet. Neben den fachlichen Kompetenzen sind eine moralische Werteorientierung (verantwortungsbewusstes Handeln, respektvolles Miteinander, Offenheit und Toleranz), die Ausbildung sozialer Fähigkeiten und die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit wichtige Erziehungs- und Unterrichtsziele. Ein gesundes, motivierendes Lernklima wird durch konzentriertes Arbeiten in Epochen, einen altersspezifischen und rhythmisierten Unterricht und Praktika angestrebt.
Ein großes Anliegen ist uns die personelle Kontinuität, welche unter anderem durch die Klassenlehrer*innen bzw. Klassenbetreuer*innen über viele Jahre, durch feste Bezugspersonen über längere Zeiten sowie durch eine stabile Klassengemeinschaft verwirklicht wird. Der Waldorf-Lehrplan endet mit der 12. Klasse. Im Anschluss daran bereiten wir unsere Schüler*innen auf die staatlichen Schulabschlüsse (Mittlere Reife, Abitur) vor.
Um die besonderen Anforderungen der Waldorfpädagogik umsetzen zu können, gibt es eine spezielle Ausbildung in Waldorfpädagogik. Beständige Fortbildungen, sowie Maßnahmen zur Gesundheit der Lehrenden, sind Teil der pädagogischen Arbeit. Auf Grundlage der Menschenkunde Rudolf Steiners können die Lehrer*innen ihren Unterricht frei gestalten. Sie machen ihre Arbeit transparent und verantworten sie vor dem Kollegium und den Eltern.
Rechtlich-wirtschaftlicher Rahmen
‚‚Wir sind als Menschen gleich, einfach durch die Tatsache, dass wir alle Menschenantlitz tragen… Wir sind verschieden voneinander durch unsere individuellen Begabungen, die aber unserer Innerlichkeit angehören.“
Rudolf Steiner
Wirtschaftliche und rechtliche Grundlage für das Zusammenleben an der Schule und ihren Betrieb bildet der Rudolf-Steiner-Schulverein. Diesem ist als Träger der Einrichtung die Achtung verschiedener kultureller Hintergründe von größter Bedeutung. Mitglied kann jede*r werden, sofern man bereit ist, die Ziele des Vereins zu unterstützen. Der Verein wird durch die Mitgliederversammlung bestellt und durch einen paritätischen Vorstand von Eltern und Lehrer*innen vertreten. Innerhalb dieser Struktur bilden sich verschiedene Kreise, bestehend aus Eltern, Lehrer*innen und/oder Schüler*innen, die ihre Aufgaben eigenverantwortlich, in Einklang mit den Vereinszielen und in einem regen wechselseitigen Austausch verwirklichen. Hier, wie auch im Vorstand, wird sowohl auf Gemeinsamkeit als auch auf Vielfalt großen Wert gelegt. Hierzu gehören auch Maßnahmen zur zuverlässigen Qualitätssicherung, wie z.B. Intervision und Supervision.
Im Sinne der sozialen Dreigliederung bemühen wir uns fortwährend darum, wirtschaftliche Belange auf allen Ebenen solidarisch zu gestalten. Die Schule begrüßt jede sinnvolle Initiative zur Gestaltung und Weiterentwicklung des Schulorganismus, die von Seiten der Eltern, Lehrer*innen oder Schüler*innen unternommen wird, prüft diese und unterstützt in der Folge die Arbeitsgruppen, die sich einer solchen Initiative annehmen.
Grundsätzlich hat jede Schülerin und jeder Schüler das gleiche Recht auf die angebotenen Unterrichtsinhalte und im Bedarfsfall auch auf individuelle Förderung. Diese individuelle Förderung geschieht insbesondere durch den schulinternen Therapie- und Förderbereich. Ihr Einsatz liegt im Ermessen des Kollegiums und wird mit den Eltern abgesprochen. Der finanzielle Aufwand wird solidarisch von der Schulgemeinschaft getragen. Eine Leistungsbewertung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, z.B. die Wiederholung einer Jahrgangsstufe, widersprechen oben genanntem Grundsatz und dem Bestreben der Schule, einen festen Bezugsrahmen für die Schüler*innen zu schaffen. Eine Förderung durch Projektgruppen, Wahlpflichtfächer oder einen Auslandsaufenthalt dient hingegen der individuellen Entwicklung.
Schule und Gesellschaft
„Die Menschenwohlfahrt ist um so größer, je geringer der Egoismus ist.“
Rudolf Steiner (GA 34, S. 214)
Unsere Schule ist Mitglied des Bundes der freien Waldorfschulen. Dieser vertritt uns in der allgemeinen bildungspolitischen, gesellschaftlichen und bildungswissenschaftlichen Debatte. Unser aktives Engagement besteht in der Teilnahme an den regelmäßigen Bundesdelegiertentagungen und den Treffen der Landesarbeitsgemeinschaft sowie in der Mitfinanzierung der pädagogischen Forschungsstelle und in der Teilnahme an deren Fortbildungen. Zudem ist es uns ein Anliegen, am lokalen Leben unserer Stadt mitzuwirken, sei es durch öffentliche Veranstaltungen wie Monatsfeiern, Theateraufführungen oder Konzerte, sei es durch die Gründung und Unterstützung von Krippen und Kindergärten oder durch die Teilnahme an ausgeschriebenen Schulprojekten oder den Besuch des Bezirksausschusses.
Auch soziales Engagement ist zu fördern. Durch die aktive Arbeit der Schüler*innenvertretung oder anderer Initiativen der Schulgemeinschaft werden regelmäßig soziale Projekte verwirklicht. Die Lehrerkonferenz unterstützt ein solches Engagement. Die Verantwortung für die Welt und ihre Bewohner*innen soll aktiv ergriffen werden. Die Förderung von ökologischer Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein sind uns ein vorrangiges Anliegen. Durch die Übernahme von weltweiten Patenschaften versucht die Schule globale Verantwortung und Solidarität vorzuleben.
Die Schule schließt sich untenstehender Stuttgarter Erklärung an.
Stuttgarter Erklärung
Waldorfschulen gegen Rassismus und Diskriminierung
Die Freien Waldorfschulen leisten bei der Wahrnehmung ihrer erzieherischen Aufgabe im Geiste der Menschenrechte einen Beitrag für eine Gesellschaft, die auf dem solidarischen Zusammenleben aller Menschen beruht.
Als Schulen ohne Auslese, Sonderung und Diskriminierung ihrer Schüler*innen sehen sie alle Menschen als frei und gleich an Würde und Rechten an, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Weltanschauung oder Religion.
Die Anthroposophie als Grundlage der Waldorfpädagogik richtet sich gegen jede Form von Rassismus und Nationalismus. Die Freien Waldorfschulen sind sich bewusst, dass das Gesamtwerk Rudolf Steiners vereinzelt Formulierungen enthält, die von einer rassistisch diskriminierenden Haltung der damaligen Zeit mitgeprägt sind. Die Waldorfschulen distanzieren sich von diesen Äußerungen ausdrücklich. Sie stehen im vollständigen Widerspruch zur Grundausrichtung der Waldorfpädagogik und zum modernen Bewusstseinswandel.
Weder in der Praxis der Schulen noch in der Lehrer*innenausbildung werden rassistische oder diskriminierende Tendenzen geduldet. Die Freien Waldorfschulen verwahren sich ausdrücklich gegen jede rassistische oder nationalistische Vereinnahmung ihrer Pädagogik und von Rudolf Steiners Werk.
Aus diesem Selbstverständnis arbeiten die Freien Waldorfschulen seit ihrer Gründung 1919. Waldorfpädagogische Einrichtungen engagieren sich heute weltweit in den unterschiedlichsten kulturellen, politischen, sozialen und religiösen Kontexten.
Verabschiedet von der Mitgliederversammlung des Bundes der Freien Waldorfschulen am 20. November 2020. Eine frühere Version der Erklärung wurde am 28. Oktober 2007 in Stuttgart verabschiedet.